Auf einem etwa sechs Hektar großen Gelände entstand der neue Gebäudekomplex der BP Europa SE; seit Bezug im Sommer 2019 sind hier moderne Räume für Verwaltung und Büro, fortschrittliche Labore, die eigene Werksfeuerwehr, Werkstatt und die Kantine untergebracht. Die Funktionseinheiten sind in eigenständigen Gebäudeteilen angeordnet und über die Eingangshalle als zentralen Verteiler miteinander verbunden. Dies ermöglicht eine uneingeschränkte Vernetzung der Funktionen untereinander bei maximaler Eigenständigkeit. Außerdem wird mit der Gebäudestruktur ein größtmöglicher Bezug zu den Außenräumen geschaffen und alle Räume mit Tageslicht versorgt.
Baubegleitende Planung für Effektivität
Um die ausführenden Firmen möglichst früh mit den Arbeiten starten zu lassen, setzte das Projektteam um Christian Sabelhaus auf baubegleitende Planung. Lindschulte zeichnet sich hier verantwortlich für die Planungsleistungen der Ausführungs- und Objektplanung, der Tragwerksplanung und Technischen Gebäudeausrüstung, der thermischen Gebäudesimulation sowie der Freianlagen- und Entwässerungsplanung und die Gesamtkoordination sämtlicher beteiligter Fachplanungsleistungen. Das Atrium selbst ist das kommunikative Herz der BP-Zentrale, das alle Mitarbeiter in hoher und identitätsstiftender Aufenthaltsqualität zusammenbringt: hell, freundlich, informell, spontan und flexibel nutzbar. Tageslicht fällt durch die aufgesetzte Pyramide und beleuchtet so den gesamten Innenhof und die zum Atrium orientierten Arbeitsplätze der Open Space-Bereiche. Große Verglasungen ermöglichen den Blick in die verschiedenen Geschäftsbereiche.
Pyramide als weithin sichtbares Zeichen
Auf der Stahlkonstruktion der Pyramide erfolgte die Montage der transluzenten, thermisch getrennten ETFE-Folienkissen, welche mit einer steuerbaren LED-Beleuchtung umgeben wurden – so ist eine individuelle Illumination der Pyramide möglich. Nach außen kann ein weithin sichtbares farbiges Zeichen gesetzt werden und nach innen wird, je nach Nutzung des Atriums, eine entsprechend stimmungsvolle Beleuchtung erzeugt. Der Entwurfsgedanke für die Gebäudeteile der jeweiligen Funktionseinheiten folgt den funktionalen und wirtschaftlichen Vorgaben sowie einer flexiblen Herstellung einzelner Gebäudestrukturen. Für die individuellen Gebäudeteile wurden Tragkonstruktionen gewählt, die sowohl hinsichtlich der baukonstruktiven Ausführung, zum Teil durch entsprechende Vorfertigungsgrade, als auch den weiteren Ausbau durch Folgegewerke betreffend einen Baufortschritt ermöglichen, ohne jedoch die an das Bauwerk gestellten Qualitäten und Anforderungen zu mindern. Eine besondere Herausforderung an die Planungen des Lindschulte-Projektteams waren die vollkommen unterschiedlichen Themenwelten: Verwaltung und Büro, Laborbetrieb, Kantine sowie Feuerwehr und Werkstätten. Jeder Nutzungsbereich ist in möglichst kompakter Bauart geplant, jeder Bereich muss sowohl für sich genommen funktionieren als auch im Zusammenspiel als Gesamtkomplex.
„Geplant wurde ein Gebäude mit hoher Funktionalität und Flexibilität, mit größtmöglicher Kompaktheit und kurzen Wegen“, so Sabelhaus.
Optik und Funktionalität
Dank der kompakten Struktur des Gebäudes konnten große unversiegelte Grünflächen geschaffen werden, die Höfe und Freiflächen wurden in der Anlagenplanung als Grünflächen mit Bäumen angelegt und haben neben einer ansprechenden Optik auch einen funktionalen Zweck: Sie dienen der Oberflächenentwässerung, sofern sie nicht als Bewegungsflächen gebraucht werden. Die technische Gebäudeausrüstung (TGA), die vom Lindschulte-Standort GGL in Krefeld geplant wurde, betrifft vier Bauteilgruppen: Das Büro- und Verwaltungsgebäude, das Labor, die Werkstatt und die Betriebsfeuerwehr. Modernste Kommunikationstechnik ermöglicht den bisher gut 360 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hier flexible Videokonferenzen und ortsunabhängiges Arbeiten auch abseits des eigenen Schreibtisches. Innovative Metall‑, Heiz- und Kühldecken, deren dünne Rohrleitungen je nach Bedarf warmes oder kaltes Wasser wie bei einer Fußbodenheizung durchströmt, sorgen für angenehmes Klima in den Büros. Viele weitere, hochkomplexe Aufgaben folgten. Hier kamen besonders die Vorteile der Lindschulte-Gruppe zum Tragen, die Zentrale der BP Lingen ist ein starkes Beispiel für funktionierende standortübergreifende Zusammenarbeit.
Sicheres Arbeiten im Labor
Auf die Planer von Lindschulte wartete beispielsweise ein Klopfprüfstand für Benzin und Diesel, der im Labor eingerichtet werden sollte. Hier müssen unter anderem definierte Luft- und Abluftmengen zugeführt werden sowie drei bis vier Sonderluftarten für spezielle Arbeitsbereiche. Während der Arbeit entstehen im Labor enorme Wärmelasten, beispielsweise geben die Maschinen viel Wärme in den Raum ab. Die Abfuhr der Wärme sowie Zuführung gekühlter Luft musste möglichst zugfrei gestaltet werden, so wird ein angenehmes und gesundes Raumklima für die Mitarbeiter geschaffen. Die Lösung: Ein ausgefeiltes Konzept für die Klimatechnik. Was im ersten Moment vielleicht wie eine Selbstverständlichkeit klingt, erforderte eine passgenaue Lösung mit induktionsarmen Textilauslässen und gezielt eingesetzter Quellluft. Dieser Luftausgleich wird von komplexer Messsteuer-Regeltechnik gesteuert – und auch die hat Lindschulte geplant.
Sonderlösung von Lindschulte für die Feuerwehr-Fahrzeughalle
Für die Leitwarte der Feuerwehr beauftragte BP noch weitere Planer, allerdings gab es auch hier viele Schnittstellen mit Lindschulte, beispielsweise im Hinblick auf die Brandmeldeanlage, die Sprinkler- und die Aufzugstechnik. Auch das Zugangskontrollsystem, welches in der Regel von den Kollegen an der Pforte bedient wird, kann bei Bedarf auf die Leitwarte umgestellt werden. Der Raum, der für Laien in erster Linie wie ein simples Büro mit einigen Bildschirmen aussieht, gleicht unter der Oberfläche eher dem Cockpit eines Flugzeugs mit seinen sensiblen Geräten und den enormen Datenmengen, die Fachkräfte hier auswerten müssen.
Als nun eine neue Halle für die Einsatzfahrzeuge der Werkfeuerwehr gebaut werden sollte, nahmen sich die Lindschulte-Experten dieser Problematik an. „Die neue Anlage arbeitet mit Verdrängungsluft“, beschreibt Lindschulte Krefeld-Geschäftsführer Jörg Gillhoff das von ihm und seinem Team weiterentwickelte und auf die speziellen Anforderungen der BP-Werksfeuerwehr abgestimmte System. „Wenn bestimmte CO- oder NOX-Werte überschritten werden, öffnen sich automatisch die Tore. Unsere Technik steuert eine Zuluftanlage, die in der Mitte des Raumes positioniert ist. Sie drückt die Luft aus der Mitte der Halle per Überdruck nach draußen und die Abgase werden so abgeleitet. Die beiden großen gegenüberliegenden Tore machen das möglich.“ Dieses System gab es so in Niedersachsen noch nicht, in Nordrhein-Westfalen nur sehr vereinzelt. Gillhoff und sein Team kämpften sich durch lange Genehmigungsverfahren, am Schluss folgten die Behörden aber der Lindschulte-Empfehlung.
Baubegleitendes Planen
Viele Absprachen und eine intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit sind in Zeiten des baubegleitenden Planens essentiell. „Heute werden große Projekte oft verhält-nismäßig kurzfristig aus der Taufe gehoben. Ein Budget wird freigegeben, Partner gesucht, Verhandlungen finden statt und dann steht auch schon der Fertigstellungstermin. Die Planungszeit ist oft eingekürzt und so beginnen dann die Bauarbeiten, während die Planungen noch laufen“, erklären Sabelhaus und Gillhoff. „Das führt zu gewissen Sollbruchstellen, gegebenenfalls werden im Nachhinein beispielsweise noch Durchbrüche gemacht. Dennoch wollen und müssen wir mit unserer Planung immer einige Schritte voraus sein.“ Eine weitere Besonderheit war, dass in Lingen alle Teile des Rohbaus parallel liefen. Schon früh stellte sich die Frage, wie Einbringungsöffnungen für Großkomponenten zu schaffen seien. Dies erforderte viel Kommunikation zwischen der Statik-Abteilung, den Architekten und den Experten für die Versorgungstechnik, aber auch eine Menge Erfahrung. Der Lindschulte-Geschäftsführer fasst zusammen:
„Letztendlich war das Ganze ein integraler Prozess. Wir mussten das Zeitmanagement so staffeln, dass alle Termine eingehalten wurden. Also fanden so einige Prozesse gleichzeitig statt.“
Premiere geglückt
Hervorgegangen ist das Projekt aus einem Wettbewerb. Zusammen mit der ARGE Hofschröer / Mainka und dem Büro Bolles + Wilson hat Lindschulte nach einer dreimonatigen Bearbeitungsphase einen Wettbewerbsbeitrag eingereicht. Daraufhin wurde Lindschulte mit der Durchführung der Planungsleistungen beauftragt. Hand in Hand mit den Bauherren wurde das Projekt in regelmäßigen Treffen in Teamarbeit weiterentwickelt. Dass die Beteiligten von Hofschröer, Mainka, Bolles + Wilson und Lindschulte in dieser Konstellation vorher noch nicht zusammengearbeitet hatten, war am Ende nicht mehr zu spüren: Die Planung lief reibungslos und die BP ist mit ihrem neuen Gebäude sehr zufrieden. Der Leuchtturm steht und strahlt weit in die Region.