Generalplaner für komplexe Infrastruktur-Projekte

Drei intensive Jahre: Planung. Begleitung. Überwachung.

Der Regiopa-Express in der Grafschaft Bentheim rollt. Fünf hochmoderne Triebfahrzeuge vom Typ Coradia LINT 41 verbinden die Städte Bad Bentheim, Nordhorn und Neuenhaus. Damit das möglich ist, wurde im Vorfeld mehr als drei Jahre lang intensiv gearbeitet und geplant. Als alleinverantwortlicher Generalplaner hat Lindschulte das komplexe Infrastruktur-Projekt vom ersten Entwurf an begleitet: Nahezu alle Planungsleistungen wurden mit einem Projektteam aus eigenen Mitarbeitenden erbracht; von der Entwurfsplanung für die Strecken über die Instandsetzung der Bahnhöfe bis zum Fördermittelmanagement und der Projektsteuerung wurden alle Leistungen erfüllt. Mit denAuftraggebern der Bentheimer Eisenbahn AG stand Lindschulte als ersterAnsprechpartner jederzeit im direkten Austausch.

Bernd Vogelsang, Projektleiter bei Lindschulte in Nordhorn und Thomas Schaller, Geschäftsführer bei Lindschulte in Düsseldorf wissen das konstruktive und kooperative Miteinander aller involvierten Partner zu schätzen: „Ein Projekt wie den Regiopa-Expresskann man nur Hand in Hand stemmen, da wären wir ohne die reibungslose Zusammenarbeit mit unseren Partnern nicht weit gekommen.“

Vogelsang war beim Schienenpersonennahverkehrs-Projekt (SPNV) verantwortlich für die Gesamtsteuerung sowie die Bauüberwachung und das Ausschreibungsverfahren, Thomas Schaller hielt während der Planungsphase das Heft in der Hand. Gemeinsam brachten sie undihr standortübergreifendes Projektteam mit den beauftragten Partnern den Zug zurück auf die Schienen der Grafschaft Bentheim.

Ein Mammutprojekt für die Grafschaft Bentheim

Die Niedersachsen legten im Jahr 2018 rund 4,8 Milliarden Personen-Kilometer per Schienenpersonennahverkehr zurück – das ist die Anzahl der Fahrgäste multipliziert mit ihrer durchschnittlichen Reiseweite. In der Statistik spielt künftig auch die Grafschaft Bentheim eine Rolle: Seit Juli 2019 fahren in der Region wieder Personenzüge. 28 km Gleise, drei neue Haltepunkte, drei Bahnhöfe, etwa 60 Bahnübergänge – das SPNV-Projekt der Bentheimer Eisenbahn ist ein wahres Mammutprojekt für die Grafschaft. Der bisher größte Einzelauftragder Firmengeschichte von Lindschulte umfasst die Reaktivierung des gesamtenSchienenpersonennahverkehrs von Bad Bentheim über Nordhorn bis nach Neuenhaus. Nach mehr als 44 Jahren ohne Personenverkehr auf der Schiene ist die Grafschaft Bentheim endlich wieder am Zug – und Lindschulte hatte als Generalplaner die Fäden in der Hand.

Um den Zugverkehr zu ermöglichen, musste im Vorfeld ganze Arbeit geleistet werden. Bisher wurde die bestehende Gleisinfrastruktur ausschließlich für den Güterverkehr genutzt, die maximal zulässige Streckengeschwindigkeit lag bei 50 km/h. Um jedoch einen funktionierenden SPNV aufzubauen, wurde eine Erhöhung der Geschwindigkeit auf 80 km/h für Güterverkehr und 100 km/h für den Personenverkehr angestrebt. Die bisherigen Gleise waren für diese Geschwindigkeiten nicht geeignet, für die erneuerte Strecke wurden deshalbY-Stahlschwellen und Schienen der Form UIC 60 verlegt.

Während der Umbauarbeiten musste der Güterverkehr aufrechterhalten bleiben – was eine enge Abstimmung zwischen Auftraggeber, Bauüberwachung und ausführenden Gewerken erforderte. Hier kommen die Vorteile der Lindschulte Generalplanung besonders zum Vorschein: Ein fester Projektleiter als Ansprechpartner für den Auftraggeber sowie eingespielte, interne Projektteams übernehmen die gesamte Planungsverantwortung. Vom Entwurf über die Planungs- und Genehmigungsprozesse, die Ausführungs- und Detailplanung bis hin zur vorbereitenden, bauüberwachenden und steuernden Projektabwicklung – Lindschulte ist verantwortlich für die gestalterisch und technisch anspruchsvolle sowie wirtschaftliche und termingerechte Realisierung bis zum Schluss.

Zehntausende Arbeitsstunden erstklassiger Ingenieurleistung

Unter der Federführung von Lindschulte wurde die gesamte Streckenreaktivierunggeplant – angefangen bei der Erneuerung der Gleisanlagen, also der Schienen- undSchwellenwechsel. Da vorher nur der eingleisige Güterverkehr die Grafschaft durchquerte,mussten zudem neue Kreuzungs- und Parallelgleise eingeplant werden. So kann ein Güterzug ähnlich wie in einer Haltebucht für Pkw warten, während die modernen LINT-Personenzüge an ihm vorbeifahren.

Mehrere zehntausend Arbeitsstunden stecken in diesem Herzblutprojekt, das Projektteam aus Ingenieuren und Technikern der Lindschulte-Gruppe war ständig im Einsatz – sowohl während der Planung als auch in der klassischen Bauleitungs- und Überwachungsfunktion. Und die Zeit drängte: Allein für die Erstellung der Planunterlagen war eine Frist von acht Monaten gesetzt. Dieser enge Zeitraum erforderte höchste Ansprüche an das Personalmanagement – und das konnte nur dank der interdisziplinären und standortübergreifenden Zusammenarbeit der verschiedenen Gesellschaften von Lindschulte sowie der Partner von ZPP LauPlan aus Hoyerswerda als Fachplaner für die Leit- und Sicherungstechnik realisiert werden.

Aufgrund der Vielzahl an Projektbeteiligten und Schnittstellen war es erforderlich, den stetigen Kommunikationsfluss so zu gestalten, dass alle wesentlichen Informationen zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Ansprechpartner gelangen. Und das betrifft sowohl den Austausch mit den unterschiedlichen Partnern als auch die interne Lindschulte-Kommunikation selbst. Hier entfaltet die Projektsteuerung der Lindschulte Generalplanung ihre Vorteile: Dank umfassender Projektkoordination konnten alle technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Abläufe lückenlos erfasst, überwacht und koordiniert werden – beispielsweise wurden neben den Planungsleistungen auch das umfangreiche Fördermittelmanagement und weitere wichtige Aktivitäten wie Bürgerbeteiligungen betreut und durchgeführt.

Gerade bei einem Projekt dieser Größenordnung sorgt die strukturierte interne Kommunikation für größtmögliche Flexibilität und Qualität. Für einen reibungslosen Austausch dieser Informationen wurde ein digitaler Projektraum bereitgestellt, einecloudbasierte Common Data Environment (CDE). Hier werden alle Projektinformationen und -daten zusammengeführt, sie dienen allen Projektbeteiligten als Grundlage – und dies über Unternehmensgrenzen hinweg und während des gesamten Projektlebenszyklus. Eine CDE ermöglicht dadurch eine kollaborative Arbeitskultur für das gesamte Projektteam.

Übrigens: Der Bahnhof in Bad Bentheim ist nach seiner Eröffnung vom gemeinnützigen Verkehrsbündnis „Allianz pro Schiene“ als Bahnhof des Jahres ausgezeichnet worden. Bei der Preisverleihung hob die Jury mehrfach hervor, dass der von Lindschulte geplante Bahnhof und das Umfeld mit diesem Titel in die „Hall of Fame“ der besten deutschen Bahnhöfe aufgenommen wird. Laut Preisrichter passt hier alles zusammen, was einen Bahnhof auszeichnet und zu einem kundenfreundlichen und attraktiven Ort für die Menschen werden lässt.

Bahnhöfe, Umfelder und Technik

Täglich nutzen etwa 2.000 Fahrgäste die Strecke. Um den Reisenden in der Grafschaft Bentheim die Fahrt mit dem Zug so angenehm wie möglich zu gestalten, wurden drei neue Haltepunkte in Quendorf, Nordhorn-Blanke und Neuenhaus-Süd errichtet und die drei bestehenden Bahnhöfe in den angebundenen Städten von Grund auf erneuert. Die Bahnhöfe in Bad Bentheim und Neuenhaus fielen unter die Verantwortung von Lindschulte, außerdem der Mittelbahnsteig in Nordhorn sowie das Bahnhofsumfeld. An diesen bedeutsamen Knotenpunkten, wo Schienen und Bahnhöfe zusammenkommen, da zeigt sichauch eine der großen Stärken von Lindschulte: Die nahtlose, interne Verzahnung von einzelnen Kompetenzbereichen, hier besonders der Bereich Infrastruktur mit der gesamten Streckenplanung und der Hochbau mit dem Schwerpunkt der Architektur.

Der Bahnhof Nordhorn erhielt einen neuen Bahnsteig in Mittellage zwischen den Gleisen 1 und 2. Der Zugang zum Mittelbahnsteig erfolgt beidseitig über Rampen, für die Querung der Gleise ist jeweils ein Übergang mit technischer Reisenden-Sicherung (ReSi) vorgesehen. Am Bahnhof Nordhorn begegnen sich die von Bad Bentheim und von Neuenhaus kommenden Personenzüge: Die nötige Stellwerktechnik wird in einem zentralen Funktionshaus im Bahnhof Nordhorn untergebracht.

In der Burgstadt Bad Bentheim mussten das bestehende Bahnhofsgebäude sowie das Umfeld von Grund auf neugestaltet und zusätzliche Parkflächen geschaffen werden. Überarbeitet wurde auch die Schmutz- und Regenwasserkanalisation. Bei der Umgestaltung wurde ein möglichst barrierefreies Ergebnis angestrebt, weshalb das erarbeitete Planungskonzept aufeine starke Reduzierung der Treppen und Rampen am Bahnsteig und dem Bahnhofsvorplatzsetzt. Die zentrale Bushaltestelle wurde mit sechs Haltestellen in Längs- undSägezahnaufstellung mit direkt angrenzenden Warte- und Zuwegungsbereichen realisiert, so müssen Fahrgäste in den seltensten Fällen Fahrgassen und Straßen kreuzen. Die Zuwegungen zum Bahnhof für verschiedene Verkehrsarten wie Busse und Privat-Pkw wurden getrennt, um Unfallrisiken weiter zu minimieren. Als Erweiterung wurde eine überwachte Bike+Ride-Station mit WC geplant und errichtet. Von hier kommen Besucher unmittelbar zu einem neu installierten Radfahrer- und Fußgängerübergang, welcher den Zugang zum Bahnhofsumfeld erleichtert.

Am Bahnhof Neuenhaus wurde der vorhandene Hausbahnsteig entsprechend der neuen Höhen- und Längenanforderungen ausgebaut. Außerdem wurde im Zuge der Revitalisierung eine umfangreiche Erneuerung des Bahnhofsgebäudes selbst durchgeführt: Mit Blick auf SPNV-relevante Funktionen wie Wartehallen oder Reisezentren wurde der gesamte Bahnhof in Neuenhaus neu auf- und umgebaut. Analog zum Bahnhof und Bahnhofsvorplatz in Bad Bentheim wurde in Neuenhaus eine zentrale Bushaltestelle geschaffen, mit vier Haltestellenin Sägezahnaufstellung. Überdies wurden ein großer P+R-Parkplatz, umfangreicheFahrradabstellplätze sowie eine neue Verkehrsführung in Einbahnstraßenregelung angelegt. Neu geschaffene und gestaltete Außenanlagen empfangen die Zugreisenden und runden das Gesamtbild ab.

Und damit die neuen LINT-Triebfahrzeuge sowie die Güterwaggons regelmäßig gewartetwerden können, übernahm Lindschulte auch gleich die Gesamtplanung für die großzügige Erweiterung der bestehenden Werkstatthalle auf dem Gelände der Bentheimer Eisenbahn: „Drei neue Abstellgleise plus die Verlängerung der Werkstatt um gut 25 Meter, das kann sich sehen lassen“, führt Projektleiter Bernd Vogelsang von Lindschulte weiter aus. „Vorher konnte hier eine Lok oder maximal ein bis zwei Waggons untergebracht werden, jetzt kann ein Personenzug mit knapp 42 Metern komplett in die Halle fahren.“ Insgesamt erreichen die drei neuen Abstellgleise für Wartung, Betankung und Waschen der Züge und Waggons eine Länge von 650 m, inklusive drei neuer Bremsprellblöcke und Weichen. Auch hier wurde während der Erweiterungsphase laufend weitergearbeitet, der Betrieb derbestehenden Lokwerkstatt und der Lackierhalle durften nicht gestört werden.

Gleisbauarbeiten im Bentheimer Wald

Besondere Herausforderung war ein gut 3 km langes Teilstück im Bentheimer Wald: Der eingleisige Streckenabschnitt liegt in einem speziellen Naturschutzgebiet, hier sind Arbeiten nur von Oktober bis Februar gestattet. Der Faktor Zeit spielt hier eine wesentliche Rolle – auch hier wirken die Vorteile der integralen Generalplanung durch flexible Abstimmungsmöglichkeiten zwischen Projektteam und Auftraggeber. Außerdem war die Strecke fast ausschließlich über das Gleis selbst oder zwei Übergänge im Bentheimer Wald zu betreten. Unter Beachtung aller ingenieurtechnischer, naturschutzrechtlicher und wasserwirtschaftlicher Aspekte wurde hier die gesamte Gleisinfrastruktur überarbeitet. Für eine ausreichende Tragfähigkeit wurde der Bahndamm für den SPNV stabilisiert und ertüchtigt, außerdem musste eine fortwährende Gleisentwässerung gewährleistet sein. Neue Vorschriften forderten mehr Überdeckung bis zum Gleis, so dass Rohre und Durchlässe tiefer als bisher unter den Gleisen erneuert und verlegt werden mussten. Die Arbeiten mussten erledigt werden, ohne in das umliegende Naturschutzgebiet oder die Quellen der angrenzenden Fachklinik einzugreifen – und all das, während der bestehende Güterverkehr auf der Schiene aktiv betrieben wurde. Zur Vermeidung artenschutzrechtlicher Konflikte wurde die Umsetzung von CEF-Maßnahmen und eine Umweltbaubegleitung festgelegt. Vor Beginn der Bauarbeiten wurde beispielsweise die Anlage von Eidechsenburgen als Ausgleichsmaßnahme umgesetzt. Zudem wurden Vorabkontrollen auf Vorkommen von Lebewesen wie Fledermäusen und Amphibien durchgeführt – ebenfalls Leistungen, die durch Mitarbeitende von Lindschulte übernommen wurden.

ÖPNV als bedeutsame Frage der Politik

Zur feierlichen Eröffnung kamen auf Einladung von Bentheimer Eisenbahn-Vorstand Joachim Berends auch die niedersächsischen Wirtschafts- und Finanzminister Bernd Althusmann und Reinhold Hilbers. Beide bezeichneten die Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) als eine der bedeutsamsten Fragen der Politik. Mit dem Verkehrsanschluss sei dieGrafschaft Bentheim weiter ins Zentrum Europas gerückt. Eine Leistung, an der Lindschulte als verantwortlicher Generalplaner einen bedeutenden Anteil hatte.